Umsatzplus auf dem Buchmarkt 2016 / Börsenverein kritisiert geplante massive EinschrĂ€nkungen im Urheberrecht / Buchbranche setzt sich fĂŒr Meinungsfreiheit ein
Mit einer positiven wirtschaftlichen Bilanz des Vorjahres, aber mit deutlichen Forderungen an die Politik gehen Verlage und Buchhandlungen in das BĂŒcherjahr 2017. âAutoren, Verlage und Buchhandlungen ĂŒbernehmen eine wichtige Rolle fĂŒr das Gelingen einer modernen, offenen und demokratischen Gesellschaft. Mit ihrer Arbeit befördern sie den Austausch von Meinungen und Ideen und stoĂen Debatten an. Mit qualitĂ€tsgesicherten Fakten und Bewertungen schaffen sie die Grundlage fĂŒr hochwertige Bildung und Wissenschaftâ, sagte Alexander Skipis, HauptgeschĂ€ftsfĂŒhrer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels heute zum Auftakt der Leipziger Buchmesse.
âDie Buchbranche steht momentan wirtschaftlich gut da. Erstmals seit drei Jahren ist der Umsatz 2016 wieder gestiegen. Doch aktuelle rechtliche Entwicklungen und Gesetzesvorhaben rĂŒtteln an der Existenzgrundlage von Verlagen und Autoren und damit an der gesamten Publikationslandschaft in Deutschland, die in ihrer QualitĂ€t und Vielfalt weltweit vorbildlich ist. Wir appellieren an die Bundesregierung, bei ihren PlĂ€nen die Rechte von Autoren und Verlagen zu stĂ€rken, statt sie zu schwĂ€chen. Zudem fordern wir mit Nachdruck die politischen Entscheider dazu auf, die zunehmend bedrohte Freiheit des Wortes international kompromisslos zu verteidigen und sie nicht zum Verhandlungsgegenstand zu machen.â
Der Buchmarkt 2016
Das Jahresergebnis auf dem Buchmarkt lag 0,8 Prozent ĂŒber dem Vorjahr (Vertriebswege: Sortimentsbuchhandel, E-Commerce, Bahnhofsbuchhandel, Kauf-/WarenhĂ€user, Elektro- und DrogeriemĂ€rkte). FĂŒr hohe UmsĂ€tze sorgte vor allem das Kinder- und Jugendbuch (+ 9,0 Prozent), das im vergangenen Jahr starke Bestseller wie den neuen Harry-Potter-Band zu bieten hatte. Der Umsatz im Buchhandel vor Ort lag um 1,3 Prozent unter dem Vorjahr. Obwohl noch keine gesonderten Zahlen fĂŒr den E-Commerce vorliegen, zeichnet sich ab, dass der Online-Umsatz mit BĂŒchern 2016 gestiegen ist. âDas Online-GeschĂ€ft ist ein wichtiger Wachstumstreiber, den auch der Sortimentsbuchhandel intensiv nutzt und entwickelt. Beinahe flĂ€chendeckend verkaufen Buchhandlungen inzwischen BĂŒcher auch online und vertreiben E-Books, zum Beispiel ĂŒber die Tolino-Allianz. Verlage und Buchhandlungen arbeiten intensiv an digitalen Publikationsformen und Vertriebsmodellen. DemgegenĂŒber verlief das Jahr 2016 gegen Ende in den Buchhandlungen vor Ort eher durchwachsen. Viele BuchhĂ€ndler verzeichneten einen RĂŒckgang der Frequenz in ihren LĂ€den. Das scheint sich auch in 2017 fortzusetzen. In vielen InnenstĂ€dten sind weniger Passanten unterwegs als frĂŒher, das macht sich auch im Buchhandel bemerkbarâ, so Skipis.
Leicht zurĂŒck ging der Umsatz mit der insgesamt stĂ€rksten Warengruppe, der Belletristik (- 0,5 Prozent). Auch der Umsatz mit SachbĂŒchern, der in den vorangegangenen Jahren einen Anstieg verzeichnete, ging 2016 zurĂŒck (- 2,7 Prozent). In etwa auf Vorjahresniveau blieben die UmsĂ€tze mit ReisebĂŒchern (+ 0,2 Prozent) und Ratgebern (- 0,1 Prozent). Hardcover und Softcover legten um 2,9 Prozent zu, wĂ€hrend der Umsatz im Taschenbuch um 5,5 Prozent zurĂŒckging.
Autoren und Verlage unter Druck
Trotz der insgesamt positiven wirtschaftlichen Entwicklung sieht die Buchbranche wichtige Rahmenbedingungen ihrer Arbeit akut in Gefahr. Zum einen muss ein groĂer Teil der Verlage in Folge des VG-Wort-Urteils des Bundesgerichtshofs in den kommenden Monaten betrĂ€chtliche RĂŒckzahlungen an Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort leisten. Gerade kleine und mittelgroĂe Verlage seien dadurch, so Skipis, existenziell bedroht. Um kĂŒnftige AusschĂŒttungen wieder zu ermöglichen, mĂŒsse hier schnellstmöglich auf europĂ€ischer Ebene die Rechtsgrundlage geschaffen werden.
Zum anderen fallen in diesen Tagen in der Bundesregierung Entscheidungen ĂŒber eine der bislang umfangreichsten EinschrĂ€nkungen des Urheberrechts in Bildung und Wissenschaft. Mit dem so genannten Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz will die Bundesregierung den Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, Lehr- und Lernmedien neu regeln. âIn Wirklichkeit werden das Urheberrecht und die VerfĂŒgungsgewalt von Autoren und Verlagen ĂŒber ihre Werke im Bildungs- und Wissenschaftsbereich fast abgeschafftâ, sagte Skipis.
Zwar sehe der Gesetzentwurf eine, wenn auch völlig unzulĂ€ngliche EntschĂ€digung fĂŒr Autoren und Verlage ĂŒber Verwertungsgesellschaften vor. Dieser Anspruch sei in Bezug auf die Verlage momentan gar nicht möglich, da die dafĂŒr notwendige Rechtsgrundlage auf europĂ€ischer Ebene nicht vorhanden ist. Die erforderliche Neuregelung sei frĂŒhestens im nĂ€chsten, eher im ĂŒbernĂ€chsten Jahr zu erwarten â vorausgesetzt, der politische Wille sei da. Skipis: âDer Gesetzentwurf ist deshalb verfassungsrechtlich Ă€uĂerst bedenklich. Es ist offensichtlich, dass die Bundesregierung hier kurz vor Ende der Legislaturperiode im Eiltempo ein Gesetz durchpeitschen will, das darĂŒber hinaus auch inhaltlich kurzsichtig ist. Es verspricht ZugĂ€nglichkeit zum Nulltarif, bewirkt aber in Wirklichkeit, dass hochwertige Angebote der Bildungs- und Wissenschaftsliteratur zurĂŒckgehen werden. In einer Zeit, in der sich gefĂŒhlte Wahrheiten und ,alternative Faktenâ in der Gesellschaft ausbreiten, ist das der gĂ€nzlich falsche Weg.â
Skipis verwies auf den Online-Appell âPublikationsfreiheit fĂŒr eine starke Bildungsrepublikâ (www.publikationsfreiheit.de), hinter dem Autoren, Verlage und andere UnterstĂŒtzer aus dem Medien- und Bildungsbereich stehen. Der Aufruf an die Bundesregierung und die LĂ€nder hat bereits ĂŒber 5.000 UnterstĂŒtzer.
Meinungsfreiheit kompromisslos verteidigen
DarĂŒber hinaus setzt sich die Buchbranche weiterhin intensiv fĂŒr die Freiheit des Wortes ein. In vielen Teilen der Welt spitze sich die Lage von Autoren, Journalisten, Verlagen und anderen Kulturschaffenden zu, so Skipis. âWir fordern von der Bundesregierung, dass sie sich ĂŒberall dort kompromisslos einsetzt, wo die Freiheit des Wortes gefĂ€hrdet ist und Autoren, Journalisten, Verleger und BuchhĂ€ndler aufgrund ihrer MeinungsĂ€uĂerungen verfolgt werden. Die Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht und Grundlage jeder publizistischen Arbeit. Sie ist fĂŒr uns nicht verhandelbarâ, sagte Skipis.
Die tĂŒrkische Autorin Aslı ErdoÄan habe etwa keine Ausreiseerlaubnis fĂŒr die Vorstellung eines Bandes mit ihren Essays auf der Leipziger Buchmesse erhalten. Gegen sie lĂ€uft seit Monaten ein Verfahren wegen angeblicher Terrorpropaganda. âEs ist ein Skandal, dass ein freier Mensch, der nur seinen Beruf ausĂŒbt und von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch macht, sein eigenes Land nicht verlassen darf. Wir fordern von PrĂ€sident ErdoÄan, dass er die Repressalien gegenĂŒber Verlegern und Autoren wie Aslı ErdoÄan endlich beendet und inhaftierte Kulturschaffende wie den deutsch-tĂŒrkischen Journalisten Deniz YĂŒcel umgehend freilĂ€sst.â
Frankfurt am Main / Leipzig, 22. MĂ€rz 2017
Kontakt fĂŒr die Medien:
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Thomas Koch, Leiter Presse- und Ăffentlichkeitsarbeit
Telefon +49 (0) 69 1306-293, eMail: t.koch@boev.de
Cathrin Mund, PR-Managerin
Telefon +49 69 1306-292, eMail: mund@boev.de
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