Buchbranche arbeitet an Strategien, um Buchkäufer zurückzugewinnen / Dringendes Handeln der Politik beim Urheberrecht gefordert / Verlage und Buchhandlungen stehen für Meinungsfreiheit, Toleranz und Vielfalt ein / Aufruf zum Engagement für verfolgte Buchhändler und Verleger
Verlage und Buchhandlungen nehmen zum Start des Bücherjahres 2018 brennende Fragen aus Branche, Politik und Gesellschaft in den Fokus. „Wir treffen uns in Leipzig in wirtschaftlich und gesellschaftlich bewegten Zeiten. Angesichts wachsender Herausforderungen krempeln wir die Ärmel hoch und stellen uns drängenden Themen. Die Branche setzt sich intensiv mit dem Rückgang der Buchkäufer auseinander, erforscht Ursachen und entwickelt Lösungen, um Käufer für das Buch und das Lesen zu begeistern. Von der neu gebildeten Bundesregierung fordern wir, dass sie gemeinsam mit uns essenzielle Rahmenbedingungen der Branche wie das Urheberrecht zukunftsgerichtet gestaltet. Gleichzeitig nehmen wir unsere Verantwortung für eine freie, demokratische Gesellschaft wahr. Mit unseren Büchern und unserem Einsatz für Meinungsfreiheit, Toleranz und Vielfalt gestalten wir den Meinungsbildungsprozess und unsere Demokratie maßgeblich mit“, sagte Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels heute zum Auftakt der Leipziger Buchmesse.
Auf diese Themen legt der Börsenverein auf der Leipziger Buchmesse einen Schwerpunkt:
Käufer für das Buch begeistern
Die Umsätze auf dem Buchmarkt waren über die letzten zehn Jahre trotz Schwankungen weitgehend stabil. Nach einem starken Jahr 2016 ist der Umsatz auf dem Buchmarkt 2017 nach vorläufigen Zahlen um etwa 2 Prozent zurückgegangen. In den ersten beiden Monaten 2018 verzeichnete der Markt allerdings wieder ein Plus von 1,4 Prozent. Schwierige Entwicklungen zeigen sich bei den Buchkäufern: Von 2013 bis 2017 ist die Zahl der Käufer auf dem Publikumsbuchmarkt um 6,4 Millionen auf 29,6 Millionen gesunken. Zusammen mit Verlagen, Buchhandlungen und Marktforschern führt der Börsenverein derzeit Analysen zum Kaufverhalten durch und befragt in Fokusgruppen Leser, deren Buchkäufe zurückgegangen sind.
Alexander Skipis: „Unsere Branche nimmt den Verlust an Buchkäufern sehr ernst. Die Entwicklung stellt uns vor eine große Aufgabe, die aber auch Chancen bietet. Erste Erkenntnisse unserer Untersuchungen zeigen ein eindeutiges Bild. Die große Mehrheit derer, die heute weniger Bücher kaufen als früher, fühlt sich von den Erwartungen und der Schnelllebigkeit des modernen Alltags gestresst und unter Druck gesetzt, nicht zuletzt durch Social Media. Sie haben das Gefühl, ständig reagieren und dranbleiben zu müssen, um nicht abgehängt zu werden. Durch mangelnde Zeit, aber auch durch eine sinkende Aufmerksamkeitsspanne greifen die Menschen seltener zum Buch. Gleichzeitig verbinden die Befragten aber durchweg positive Gefühle mit dem Bücherlesen: Sie sehen darin die Möglichkeit, Entspannung und Entschleunigung, aber auch zuverlässige Informationen zu finden. Bücher sind damit die Antwort auf das wachsende Bedürfnis nach einem Ausgleich zu den Anforderungen der Multitasking-Gesellschaft. Darin steckt für die Buchbranche großes Potenzial. Es geht darum, das Buch als Ruhepol im hektischen Alltag und als zuverlässige Quelle für Information, Wissen und Bildung wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen zu bringen.“
Urheberrecht stärken
Mit einem dringenden Appell wandte sich Skipis an die neue Bundesregierung: „Der Koalitionsvertrag setzt hinsichtlich wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Anliegen der Buchbranche positive Signale. Die Koalitionspartner zeigen, dass sie um die Bedeutung von Verlagen und Buchhandlungen für unsere Gesellschaft wissen und die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit nachhaltig fördern möchten. Wichtig ist jetzt, dass den Worten schnell Taten folgen, gerade was die kurzfristig nötige Wiederherstellung der Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften betrifft. Da es dafür momentan keine Rechtsgrundlage gibt, gehen beispielsweise Wissenschaftsverlage komplett leer aus, wenn ihre Werke nach dem geänderten Urheberrecht seit dem 1. März in großen Auszügen erlaubnisfrei an Hochschulen und Bildungseinrichtungen genutzt werden dürfen. Das ist eine verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Situation. Nur eine faire Vergütung der Autoren und Verlage kann einen Buchmarkt garantieren, der für Qualität, Vielfalt und Unabhängigkeit steht.“
Toleranz und Vielfalt schützen
Verlage und Buchhandlungen wollen Debatten anstoßen, den Meinungsbildungsprozess befördern und so einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen einer freien, demokratischen Gesellschaft leisten, so Skipis bei der Pressekonferenz. Der Buchmarkt sei schon immer Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen gewesen. Dies zeige sich auch in der momentanen Situation, die von zunehmender Polarisierung und der Zunahme populistischer, extremer Strömungen geprägt sei. „Jetzt ist die gesamte Zivilgesellschaft aufgerufen, sich einzumischen, Position zu beziehen und sich mit anderen, auch unangenehmen Haltungen inhaltlich auseinanderzusetzen. Wir müssen gemeinsam für die Werte eintreten, auf denen unsere Demokratie fußt. Zu einer demokratischen Debattenkultur gehört auch der Respekt vor anderen Meinungen und Menschen und eine friedliche Grundhaltung. Daher stehen wir auch auf der Leipziger Buchmesse für die Werte einer freien, demokratischen Gesellschaft ein: für Meinungsfreiheit und den Dialog, für Toleranz, Vielfalt und Gewaltfreiheit“, sagt Alexander Skipis.
„Engagiert euch!“
Die Meinungsfreiheit ist in vielen Teilen der Welt massiv bedroht. Daher legt der Börsenverein auch zur diesjährigen Leipziger Buchmesse einen Fokus auf den Einsatz für das freie Wort. Als Beispiel nannte Alexander Skipis den Verleger und Buchhändler Gui Minhai, den die chinesische Regierung seit Jahren verfolgt, den sie mehrfach verschleppt hat, zuletzt im Januar 2018, und zu entwürdigenden öffentlichen Statements zwingt. Auch in der Türkei sei die Meinungsfreiheit weiterhin praktisch abgeschafft. Zwar seien die türkische Autorin Aslı Erdoğan oder der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Anklagen gegen sie bestünden aber fort. Darüber hinaus sitzen über 150 andere Autoren und Journalisten weiterhin in türkischen Gefängnissen.
„Es ist unerträglich, wie in vielen Teilen der Welt Kultur- und Medienschaffende zensiert, bedroht, inhaftiert oder gar getötet werden. Die Freiheit des Wortes ist die Basis einer Demokratie und Voraussetzung für jede buchhändlerische und verlegerische Tätigkeit. Wir fordern die Machthaber in den betreffenden Ländern auf, die Repressalien gegen Kultur- und Medienschaffende zu beenden und inhaftierte Autoren, Journalisten, Verleger und Buchhändler umgehend freizulassen. Sie sind politisch Verfolgte und Gefangene und brauchen unsere Solidarität“, sagt Skipis.
Unter dem Motto „Engagiert euch!“ ruft der Börsenverein dazu auf, sich für Gui Minhai und weitere verfolgte Buchhändler und Verleger einzusetzen und Solidarität zu zeigen. Auf der Webseite www.wort-und-freiheit.de sind aktuelle Fälle abrufbar. Daneben finden sich Adressen und Musteranschreiben für Protestnoten an Regierungen und Botschaften sowie Kontaktadressen für Solidaritätsbekundungen.
Frankfurt am Main / Leipzig, 14. März 2018
Kontakt für die Medien auf der Leipziger Buchmesse:
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
Thomas Koch, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 (0) 341-678 89 18, E-Mail: t.koch@boev.de
Alexander Vieß, PR-Manager
Telefon: +49 (0) 341-678 89 18, E-Mail: viess@boev.de
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