Unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen auf bislang größter Datenbasis / Ökonomische Analysen zeigen positive Effekte der Buchpreisbindung auf Verbreitung von Büchern und Angebotsvielfalt / Rechtsgutachten bestätigt Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die Buchpreisbindung und die durch sie geförderte breite
Buchhandelslandschaft spielen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung
des Kulturguts Buch und fördern Qualität und Vielfalt des Buchangebots.
Die gesetzliche Buchpreisbindung in Deutschland steht außerdem im
Einklang mit der Warenverkehrsfreiheit und dem europäischen
Wettbewerbsrecht. Im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
haben eine Forschergruppe von Ökonomen und ein Rechtswissenschaftler
Auswirkungen und Legitimität der deutschen Buchpreisbindung unabhängig,
umfassend und auf aktuellem Stand untersucht. Die Kernergebnisse haben
die leitenden Wissenschaftler heute in Berlin vorgestellt.
Prof. Dr. Georg Götz, Professor für Volkswirtschaftslehre
an der Justus-Liebig-Universität Gießen: „Auf Grundlage einer
umfassenden, bisher so nicht verfügbaren Datenmenge aus zahlreichen
Ländern konnten wir die wirtschaftlichen Auswirkungen der
Buchpreisbindung auf den Buchmarkt tiefgehend analysieren. Wir haben
viele positive Effekte der Preisbindung auf den Buchmarkt festgesellt.
So fördert die Preisbindung die Verbreitung von Büchern, indem sie eine
große Zahl an Buchhandlungen ermöglicht, die ihrerseits die Nachfrage
nach Büchern fördern. Zudem konnten wir nachweisen, dass Buchhandlungen
eine entscheidende Rolle bei der Förderung weniger bekannter Autorinnen
und Autoren und unbekannter Titel spielen.“
Prof. Dr. Andreas Fuchs, geschäftsführender Direktor des
Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität
Osnabrück: „Das deutsche Buchpreisbindungsgesetz ist mit dem EU-Recht
vereinbar. Ausländischen Versandunternehmen wird der Zugang zum
deutschen Buchmarkt nicht erschwert. Zudem ist der Schutz des Kulturguts
Buch ein ausreichender Rechtfertigungsgrund für die Ausschaltung des
Preiswettbewerbs auf der Handelsstufe. Zudem kompensieren die positiven
Auswirkungen der Preisbindung auf den Buchmarkt und für die Verbraucher
die Einschränkung des Wettbewerbs.“
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins,
zu den Ergebnissen: „Wir haben es erneut Schwarz auf Weiß: Die
Buchpreisbindung ist Garant für Qualität und Vielfalt auf dem Buchmarkt.
Sie ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Deutschland als
zweitgrößter Buchmarkt weltweit Vorbildcharakter hat. Die
Studienergebnisse zeigen deutlich, dass die Buchpreisbindung gerade in
der heutigen Marktsituation ihren Schutzzweck erfüllt und mit dem
europäischen Recht vereinbar ist. Seit fast 150 Jahren gibt es für
Bücher in Deutschland gebundene Preise. Die Preisbindung garantiert ein
engmaschiges Netz an Buchhandlungen, die wichtige Orte der
Literaturvermittlung und unverzichtbarer Vertriebskanal gerade für
kleine und mittelgroße Verlage sind. Aufgrund dieser wichtigen Funktion
findet die Preisbindung auch in der Politik breite Unterstützung.“
Annerose Beurich, Inhaberin der Buchhandlung stories! in
Hamburg und Vorstandsmitglied des Börsenvereins: „Die
Forschungsergebnisse belegen, wie unverzichtbar gerade der stationäre
Buchhandel für die kulturelle Vielfalt in unserem Land ist. Mit dem
Verschwinden von Buchhandlungen verlieren Menschen Kontaktpunkte und
somit Zugänge zu Büchern. Buchhandlungen sind Orte der Begegnung und des
Austauschs, sie betreiben engagiert Literaturvermittlung, Kulturarbeit
und Leseförderung. Darüber hinaus wäre ohne den Buchhandel so mancher
interessante Titel oder Autor nie entdeckt worden.“
Die Kernergebnisse im Überblick
Ökonomische Untersuchungen der Forschergruppe von Prof. Dr. Georg Götz (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Die Preisbindung erhält ein breites Netz an unabhängigen Buchhandlungen.
Während in Großbritannien und Nordirland (UK) nach Abschaffung der
Buchpreisbindung die Zahl der unabhängigen Buchhandlungen von 1995 bis
2001 um rund 12 Prozent gefallen ist, liegt in Deutschland im Zeitraum
1995-2002 lediglich ein Rückgang von 3 Prozent vor. In Deutschland ist
zudem die Marktkonzentration deutlich geringer. In UK hat allein Amazon
einen Marktanteil von rund 45-50 Prozent, kleine Buchhandlungen nur etwa
von 5-10 Prozent. In Deutschland entfällt auf den gesamten
Online-Buchhandel nur etwa 20 Prozent des Umsatzes, während rund 30
Prozent im unabhängigen Buchhandel und rund 20 Prozent bei den
Filialisten erwirtschaftet werden.
Der stationäre Buchhandel fördert die Buchnachfrage: Schließen Buchhandlungen, geht der Buchabsatz deutlich zurück.
Schließt in Deutschland eine Buchhandlung, werden dadurch jährlich im
Schnitt etwa 6.100 Bücher weniger abgesetzt. Es kommt somit nur
teilweise zu einer Abwanderung der Käuferinnen und Käufer in den
Online-Handel und zu E-Books. Insgesamt sind durch den Wegfall von
Buchhandlungen bundesweit von 2014 bis 2017 rund 3,5 Millionen Bücher
weniger verkauft worden – das entspricht rund 56 Prozent des gesamten
Absatzrückgangs. Der Absatzrückgang von Büchern in Deutschland hat sich
zwischen 2014 und 2017 durch den Effekt der Schließung von
Buchhandlungen verdoppelt (2 Prozent statt hypothetisch bei
gleichbleibender Anzahl an Buchhandlungen 1 Prozent).
Die Buchpreisbindung macht Bücher im Schnitt billiger.
Der Durchschnittspreis für Bücher ist in UK nach Abschaffung der
Preisbindung zwischen 1996 und 2018 um 80 Prozent gestiegen; der Anstieg
ist wesentlich stärker als im selben Zeitraum in Ländern mit
Preisbindung wie Frankreich (+24 Prozent) und Deutschland (+29 Prozent).
Nur Bestseller sind in UK günstiger als in Deutschland. Bei etwa
gleichem Absatzanteil machen die 500 umsatzstärksten Titel in
Deutschland rund 26,6 Prozent, in UK 21,5 Prozent am Gesamtumsatz aus.
Die Analyse der 50.000 meistverkauften Titel in UK von 2005 bis 2018
zeigt: Je besser der Verkaufsrang, desto höher ist der Rabatt, den die
Händler im Durchschnitt auf die unverbindliche Preisempfehlung der
Verlage geben und desto günstiger ist damit das Buch für den Kunden.
Die Buchpreisbindung fördert den Absatz von Titeln jenseits der Bestseller.
In Deutschland ist die Nachfrage nach Büchern breiter über das gesamte
Buchangebot verteilt. Betrachtet man die Titel auf den Verkaufsrängen
15.000 bis 50.000, so haben diese in Deutschland mit 20,5 Prozent einen
deutlich höheren Anteil an den im Markt verkauften Büchern als in UK
(15,3 Prozent).
Der stationäre Buchhandel fördert die Entdeckung von unbekannten Titeln und Autoren.
Bei einem großen Teil weniger bekannter Titel oder Autoren fördert der
Absatz im stationären Buchhandel den künftigen Erfolg. Von 420
Belletristik-Titeln, die zwischen 2011 und 2018 erst nach drei Wochen
oder später auf den zwanzig vordersten Plätzen der Bestsellerlisten
eingestiegen sind, waren bei 237 (56,4 Prozent) die Verkäufe im
Buchhandel vor Ort für den Einstieg allein entscheidend, bei 171
weiteren (40,7 Prozent) maßgeblich mitverantwortlich.
Das Forschungsprojekt von Prof. Dr. Götz und seinem Team
wird fortgeführt. Die Ergebnisse werden kumulativ in Form von Aufsätzen
in Fachmagazinen veröffentlicht.
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Andreas Fuchs (Universität Osnabrück)
Die Buchpreisbindung in Deutschland behindert nicht den Marktzugang für ausländische Versandbuchhändler.
Versandbuchhandlungen haben neben dem Preiswettbewerb ausreichende
andere Wettbewerbsmöglichkeiten, um auf dem deutschen Buchmarkt Fuß zu
fassen und konkurrenzfähig zu bleiben. Das zeigt etwa der
kontinuierliche Anstieg des Marktanteils des Versandhandels am Buchmarkt
auf zuletzt 20,7 Prozent in 2018 und insbesondere der wirtschaftliche
Erfolg des Online-Händlers Amazon, der zum größten Bucheinzelhändler in
Deutschland wurde und einen Anteil von rund 50 Prozent am Onlinegeschäft
mit Büchern hat.
Ein etwaiger dennoch vorliegender Eingriff in den
freien Warenverkehr wäre durch den Schutz des Buches als Kulturgut
gerechtfertigt.
Der Schutz des Buches als Kulturgut ist
auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) grundsätzlich als ein
zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkannt, das
Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen kann, sofern
diese geeignet und erforderlich sind, um das vom Gesetzgeber verfolgte
Schutzziel zu erreichen. Die Preisbindung für Bücher erfüllt die ihr
zugeschriebenen positiven Wirkungen auf die Verbreitung von Büchern und
die kulturelle Vielfalt. Das belegen wissenschaftliche Studien wie die
der Forschergruppe von Prof. Dr. Georg Götz. Der Ersatz der
Buchpreisbindung durch alternative Fördermaßnahmen, z.B. flächendeckende
staatliche Subventionen, wäre nicht nur mit immensen Kosten verbunden,
sondern auch verfassungs- und ordnungspolitisch bedenklich.
Die Buchpreisbindung in Deutschland ist mit europäischem Kartellrecht vereinbar.
Das deutsche Buchpreisbindungsgesetz führt nicht zu einer
Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der europäischen
Wettbewerbsregeln. Es fällt unter keine der vom EuGH in seiner sog.
„effet utile“-Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen für einen Verstoß
gegen die mitgliedstaatliche Loyalitätspflicht. Selbst wenn der EuGH
seine Rechtsprechung in Zukunft ausweiten und auf staatliche Maßnahmen
ohne Anknüpfung an ein wettbewerbswidriges Verhalten von Unter¬nehmen
erstrecken würde, läge kein Wettbewerbsverstoß vor. Denn die positiven
Auswirkungen der Preisbindung für den Markt und die Verbraucher
kompensieren die nachteiligen Wirkungen der Ausschaltung des
„produktinternen“ Preiswettbewerbs auf der Handelsebene. Die gesetzliche
Buchpreisbindung führt zu überwiegenden Effizienzgewinnen (z.B. Beitrag
zur Erhaltung einer flächendeckenden Buchhandelsstruktur, Steigerung
der Nachfrage und des Absatzes von Büchern, Verbesserung des
Serviceangebots, niedrigeres durchschnittliches Preisniveau für Bücher,
Reduktion von Transaktionskosten, Verbesserung des Marktzugangs für
kleine Verlage und unbekannte Autoren). Zudem wird der Wettbewerb nicht
gänzlich ausgeschaltet, vielmehr herrscht sowohl zwischen den Verlagen
als auch den Buchhändlern weiterhin ein intensiver Wettbewerb, z.B. über
den Service (Beratung, Sortimentsgestaltung und -präsentation,
Durchführung von Autorenlesungen, Bestell- und Lieferservice).
Das Gutachten von Prof. Fuchs wird 2020 in Buchform veröffentlicht.
Hintergrund Buchpreisbindung:
Die Buchpreisbindung in Deutschland sorgt dafür, dass ein
bestimmtes Buch an jeder Verkaufsstelle vor Ort oder im Internet
denselben Verkaufspreis hat. Der Verlag legt für jedes Format
(Hardcover, Taschenbuch, E-Book) einen verbindlichen Ladenpreis fest.
Nach 18 Monaten kann der Verlag den gebundenen Preis aufheben, daneben
gibt es Ausnahmen etwa bei Mängelexemplaren oder Mengenpreisen. Die
Preisbindung für Bücher gibt es in Deutschland seit Ende des 19.
Jahrhunderts. Seit 2002 ist sie gesetzlich geregelt. In insgesamt 13
europäischen Ländern ist eine Buchpreisbindung gesetzlich oder durch
Branchenvereinbarungen vorgeschrieben, etwa in Österreich, Spanien,
Italien, den Niederlanden, Norwegen, Slowenien, Belgien oder Ungarn.
Auch in Ländern wie Mexiko, Argentinien und Japan gibt es gebundene
Bücherpreise.
Mehr Informationen:
Ausführlichere Kernergebnisse sind abrufbar unter www.boersenverein.de/preisbindung
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